Digitale Realität: Hohe Nutzung – wenig Orientierung
Künstliche Intelligenz ist längst im Alltag junger Menschen angekommen. Die JIM-Studie 2024 zeigt: 62 % der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren nutzen bereits KI-Tools wie ChatGPT. Besonders auffällig ist die schulische Relevanz: 65 % setzen KI für Hausaufgaben ein, 52 % nutzen sie zur Unterhaltung, 43 % für die Informationssuche.
Eine Untersuchung an Wiener Handelsakademien (Schopf, 2025) bestätigt diese Entwicklung: 86 % der Schülerinnen und Schüler nutzen KI für schulische Zwecke. Trotz dieser hohen Nutzung bleibt KI im Unterricht vielerorts ein Randthema. Die Vodafone Jugendstudie 2024 meldet, dass 38 % der Jugendlichen keinerlei schulische Regelungen zum KI-Einsatz kennen.
Ein ähnliches Bild zeichnet der Trendmonitor 2025 der Telekom-Stiftung. Nur 20 % der Bevölkerung haben überhaupt eine formale KI-Schulung erhalten; die durchschnittliche Selbsteinschätzung der eigenen Kompetenz liegt bei 2,4 von 5 Punkten. Zudem prüfen lediglich 27 % die Ergebnisse von KI-Tools systematisch.
Für Bildungseinrichtungen ergibt sich daraus ein klarer Auftrag:
Die hohe Nutzungsmotivation der Jugendlichen muss in verlässliche, pädagogisch begleitete Lernprozesse überführt werden – inklusive Qualifizierung des pädagogischen Personals.
Assistenzsysteme und Barrierefreiheit: Inklusion durch Technologie
Berufsbildungswerke (BBW) stehen im Zentrum dieses Wandels. Ihre Aufgabe ist es, junge Menschen mit besonderen Unterstützungsbedarfen auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. KI-basierte Assistenzsysteme eröffnen hier neue, praktische Möglichkeiten:
Barrierefreie Zugänge
Moderne Technologien wie Sprachsteuerung, Eye-Tracking, Gestensteuerung oder Brain-Computer-Interfaces machen Lerninhalte für viele Lernende erstmals vollständig zugänglich. Projekte wie KI.ASSIST (albbw.de) zeigen, wie AR-Hinweisgeber („AirCrumb“), Touch-Interaktionen oder sprachbasierte Eingaben Lernprozesse individualisieren können.
Hybride Lernformen
Telepräsenzlösungen wie der Roboter AV1 ermöglichen Jugendlichen, trotz längerer Krankheit am Unterricht teilzunehmen. Praxisbeispiele dazu finden sich auf ueberaus.de.
Partizipative Entwicklung
Das Projekt KI-Kompass Inklusiv der BAG BBW betont, dass Menschen mit Behinderung bei der Entwicklung und Erprobung von KI-Systemen beteiligt werden müssen. Transparenz, Datenschutz und Barrierefreiheit sind dabei grundlegende Kriterien.
Individuelle Unterstützung
Das Annedore-Leber-BBW Berlin testete AR-Apps und intelligente Hinweisgeber direkt in Werkstätten. Die Ergebnisse zeigen deutlich: Je präziser die technischen Hilfen auf die individuellen Lernbedarfe abgestimmt sind, desto größer ist der tatsächliche Nutzen.
KI-Kompetenz als Zukunftschance
Eine gezielte Stärkung der KI-Kompetenz kann für Auszubildende ein echter Vorteil sein. Ein eindrucksvolles Beispiel liefert das SRH Berufsbildungswerk Neckargemünd. Dort wurde ein modular aufgebautes, IHK-zertifiziertes Qualifizierungsprogramm entwickelt, bestehend aus:
- Grundlagen der KI
- Ethik und Verantwortung
- Datenmanagement
- Maschinelles Lernen
- plus dem offenen Online-Kurs „Elements of AI“
Das Ziel: Jugendliche in die Lage zu versetzen, digitale Arbeitswelten aktiv mitzugestalten.
Vorteile für Lernende und BBWs:
- Bessere Arbeitsmarktfähigkeit durch digitale Kompetenzen
- Technische Entlastung der Lehrkräfte, etwa bei Routineaufgaben
- Mehr Teilhabe durch gezielte digitale Assistenz
- Stärkere Profilbildung für Einrichtungen, die frühzeitig auf KI setzen
Fazit: KI als Inklusionsmotor
Künstliche Intelligenz ist längst Teil der Lebens- und Lernwelt junger Menschen. Bildungsinstitutionen – insbesondere Berufsbildungswerke – müssen diese Realität aktiv aufgreifen. Mit barrierefreien Tools, partizipativen Entwicklungsansätzen und strukturierten Qualifizierungsprogrammen können sie Lernumgebungen schaffen, die sowohl inklusiv als auch innovativ sind.
Wer KI nicht nur als Effizienzinstrument, sondern als Schlüssel zu echter Teilhabe versteht, leistet einen nachhaltigen Beitrag zu einer gerechteren Bildungslandschaft.
Quellen
JIM-Studie 2024: mpfs.de/studie/jim-studie-2024
Vodafone Stiftung (2024), heise.de
Trendmonitor 2025, Telekom Stiftung: telekom-stiftung.de
bwp@ Spezial (Schopf, 2025): bwpat.de
BAG BBW – Projekt KI-Kompass Inklusiv: bagbbw.de
KI.ASSIST-Projekt: albbw.de
Telepräsenz im Unterricht: ueberaus.de
SRH BBW Neckargemünd: srh-bbw-neckargemuend.de
Internationaler Bund: internationaler-bund.de

